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Extra
Daneben, dahinter, dazwischen, dabei: Was gilt
als authentisch im Fernsehen?
Aus dem Aktualitätenkabinett: 1967 empfängt die BRD
den Schah von Persien zum offiziellen Staatsbesuch. Die Medien berichten
ausführlich und auf eine Weise, die der repräsentativen Bedeutung
dieses Ereignisses angemessen ist, schließlich gilt der Schah
als Star der deutschen Regenbogenpresse. Ausführlichkeit schließt
Hintergrundberichterstattung ausdrücklich mit ein, auch kritische:
So ist es möglich, daß in der Reihe "Zeichen der Zeit"
des SDR unter der Regie von Roman Brodmann eine Reportage entsteht,
die später "Der Polizeistaatsbesuch. Beobachtungen unter deutschen
Gastgebern" heißen wird. Brodmann interessiert nicht der
Ablauf des offiziellen Ereignisses, sondern alles, was diesen Ablauf
ermöglichen bzw. stören könnte. Aus diesem Grund ist
er mit seiner Kamera auch zur Stelle, als die entscheidenden Ereignisse
ihren Lauf nehmen, die den Staatsbesuch aus heutiger Sicht
zur Rahmenhandlung ganz anders gelagerter geschichtsmächtiger Umbrüche
degradieren: Der "Polizeistaatsbesuch" fängt jene Bilder
von den Straßenschlachten zwischen Polizei, Jubelpersern und Demonstranten
ein, die nicht zuletzt deshalb heute zum festen Inventar des (tele)visuellen
Gedächtnisses der Bundesrepublik gehören, weil im Verlauf
der Auseinandersetzungen die Protestbewegung ihren ersten Toten zu beklagen
hatte.
Neben dem Umstand, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein,
ist an "Der Polizeistaatsbesuch" unter anderem bemerkenswert,
daß die Reportage in keiner Weise die historische Bedeutung der
von ihr aufgenommenen Bilder zu würdigen scheint: Die Aufnahmen
von den Straßenschlachten fungieren bloß als weiterer Beweis
für die These des Films, daß die Kosten des Staatsbesuchs
aus ökonomischer ebenso wie aus rechtsstaatlicher Sicht dessen
Nutzen bei weitem übersteigen. Zwischen Bildmaterial und Kommentar
bzw. Narration besteht in "Der Polizeistaatsbesuch" eine produktive
Differenz, die sich letztlich einem unerschütterlichen Glauben
an die Referentialität des filmischen Abbilds verdankt: Die Subjektivität,
mit welcher der Kommentar zu den Ereignissen Stellung nimmt, findet
ihren Prüfstein in der unterstellten Objektivität der Bilder.
Eine solche Unterstellung würde vom Publikum heute eher skeptisch
betrachtet werden: Das Vertragsverhältnis zwischen Dokumentarfilm
und Zuschauer ist entschieden labiler geworden, weder das Abbild selbst
noch längst vertraute dokumentarische Darstellungsweisen verfügen
über genügend Kredit, die Glaubwürdigkeit des Dargestellten
zu garantieren, was die Suche nach und die Proliferation von neuen Formen
des Dokumentarischen ebenso begünstigt wie umgekehrt das Festhalten
an Stereotypen. Aus allen diesen Gründen gewinnt "Der Polizeistaatsbesuch"
für das EXTRA der diesjährigen Duisburger Filmwoche eine Art
Modellcharakter, der ihn zum Ausgangspunkt weiterer Überlegungen
machen soll: Diese betreffen die Bedingungen, unter denen das Fernsehen
dokumentarisches Arbeiten ermöglicht ebenso wie die unterschiedlichen,
historisch offenbar stark variierenden Strategien der Authentifizierung.
Zum einen repräsentiert der Film nämlich einen Typus dokumentarischen
Arbeitens, der historisch gesehen als überholt gilt: Das Argument
dafür wäre der bereits angesprochene nachhaltige Verlust des
Glaubens an die Transparenz bzw. Referentialität medial vermittelter
Abbilder (die Berichterstattung über einschneidende Ereignissen
ist heute immer häufiger von einer Reflexion auf die Wirkmächtigkeit
der Bilder begleitet), der nicht zuletzt der visuellen Kultur des Fernsehens
geschuldet sein könnte. Zum anderen weist "Der Polizeistaatsbesuch"
eine Reihe von strukturellen Übereinstimmungen mit gegenwärtigen
Reportageformaten auf: Allen voran die Verankerung der Erzählung
in der Aktualität gerade ablaufender Ereignisse, und, damit zusammenhängend,
die Absicht, die Vorgänge hinter diesen Abläufen sichtbar
zu machen. Dieser Topos des Hinter-die-Kulissen-Blickens aktiviert ein
kulturelles Schema von großer Dauerhaftigkeit und bemerkenswerter
Anpassungsfähigkeit, demzufolge die Beobachtung von Beobachtungen
(und was wäre der medial vermittelte Blick hinter die Kulissen
ebenfalls medial vermittelter Abläufe anderes?) in ihrem Wahrheitswert
höher einzuschätzen sei als die Beobachtung des Ereignisses
selbst.
Dieses Schema funktioniert auch dann, wenn gar kein aktuelles Bezugsereignis
vorhanden ist, bzw. wenn die Darstellung des Hintergrunds implizit auf
andere Darstellungen zum selben Thema verweist (die dann, ohne aktuellen
Bezug, als Vordergrund fungieren), wie dies beim zweiten Beispielfilm
des diesjährigen EXTRA der Fall ist, bei "Der Tag, der in
der Handtasche verschwand" (Marion Kainz, WDR 2001). Was auch immer
der Grund für die Entscheidung gewesen sein mag, die Symptome der
Alzheimer-Krankheit aus nächster Nähe durch die Interaktionen
der Protagonistin mit Patientinnen und Pflegerinnen ebenso wie mit der
Kamera darzustellen, erreicht wurde ein nur über den Vergleich
mit anderen Thematisierungen der Krankheit bestimmbarer Authentisierungseffekt:
Das Eindeutige des Krankheitsbilds löst sich auf im Verlauf des
Films zugunsten der alltäglichen Wiederkehr der immergleichen Symptome
bzw. der immergleichen Wiederkehr alltäglicher Symptome. Hinter
dem medial vermittelten Wissen über die Krankheit taucht das Wissen
um deren Kontingenz auf.
Es wird darüber zu sprechen sein, daß der Topos des "Dahinter"(oder
auch des "Daneben", "Dazwischen", "Dabei")
auf die Suche nach einem "Authentischen" verweist, das
allen Anfeindungen und berechtigten methodischen Zweifeln zum Trotz
offenbar zu immer neuen Konjunkturen anhebt.
Ausstellung
thanatotronics
Während des Duisburger Filmwoche findet in der Galerie Mini (Kulturzentrale
Hundertmeister) eine gemischte Präsentation von Projekten und Installationen
statt, die sich im Kontext von Medienarchäologie und dead media bewegen.
Die Gruppe thanatotronics, a.k.a. Herwig Turk, Johannes Grenzfurthner
(in Kooperation mit monochrom) und Gebhard Sengmüller realisiert
folgende Teilprojekte:
Zitat:
medienarchäologen bei der arbeit (azubi-workshop)
einige wiener medienarchäologen und medienarchäologinnen sichten
und analysieren alte video2000 kassetten, die von festivalbesuchern und
workshopteilnehmern mitgebracht oder dem eigenen umfangreichen archiv
entnommen werden. besonderes augenmerk wird auf überlagerte reste
von fernsehsendungen des zeitausschnittes 1980 bis 1985 (dem produktionszeitraum
des video2000 formats) gelegt. sehr interessiert sind die forscher an
zufälligen fundstücken, fragmenten und überlappungen, die
durch das wiederholte überspielen der kassetten mit neuem fernsehmaterial
entstanden sind. im lauf des workshops entstehen so compilations, die
über das zeitgenössische medienumfeld dieses historischen videoformats,
das sich damals trotz technischer vorzüge nicht gegenüber der
VHS konkurrenz durchsetzen konnte, indirekt auskunft geben.
videorekorderuhrenwettrennen:
installation: 20 unterschiedliche videorekorder sind übereinandergestapelt,
ans stromnetz angeschlossen, aber nicht im abspielbetrieb ("standby").
zu sehen sind nur die blinkenden zeitanzeigen, die mit zunehmender dauer
der ausstellung voneinander abweichen und immer weiter auseinanderdriften.
am ende der ausstellung wird der "schnellste" videorekorder
zum sieger gekürt. vor beginn des wettrennens wird ein wettbüro
eingerichtet, in dem man auf den schnellsten videorekorder setzen kann,
der beste tip erhält einen sachpreis.
das abwesende eigentliche:
kurzfilmscreening: geschnittene filme werden ihres genres beraubt (genres:
hardcore porno, slashermovie, eastern/kung fu, zombie, hans moser...).
aus filmen der oben erwähnten genres (die sich alle durch eine gewisse
anonymität und massenproduzierbarkeit auszeichnen) werden die "essentiellen"
szenen (alle sexszenen des pornos, alle kampfszenen des kung fu films)
entfernt. so wird das material auf eine rahmenhandlung reduziert, die
eigentlich nur als füllstoff gedacht war, die aber jetzt über
ihre ästhetik und ihre stereotypen handlungsmuster leicht kontextualisierbar
ist. wir versuchen dann, diese neuentstandenen kurzfilme zu analysieren
und interessante subaussagen herauszufiltern.
spirIT
monochrom e-solutions präsentiert im rahmen des duisburger dokumentarfilmfestivals
das neueste produkt dieses angesehenen softwarehauses. der CEO des unternehmens,
herbert "the bytebangler" homolka, wird anwesend sein und durch
die präsentation führen. monochrom e-solutions ist davon überzeugt,
dass gerade dokumentarfilmer und dokumentarfilmerinnen am innovativen
neuen produkt interesse finden werden.
die magnetismus streetparty 2/2002
findet diesmal in duisburg statt. unter dem motto "zeroize it! hardcore
gaussing" löscht ihnen das bekannt freundliche monochrom team
zu zeitgemäßen alternative-mainstream techno- und houserhythmen
mittels mehrerer starker neodymmagnete ihre datenträger. bringen
sie ihre videobänder, tonbandkassetten, bankomatkarten, festplatten,
disketten oder jazz/zip-datenspeicher!
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