ES IST ZEITDuisburger Filmwoche 40
  • 7.–13. November 2016 im filmforum am Dellplatz
  • das festival des deutschsprachigen dokumentarfilms
  • doxs! dokumentarfilme für kinder und jugendliche
ES IST ZEIT - Duisburger Filmwoche 40 | 7.-13. November 2016 im filmforum am Dellplatz | das festival des deutschsprachigen dokumentarfilms | doxs! dokumentarfilme für kinder und jugendliche

die preisträger
der 40. duisburger filmwoche

Der ARTE-Dokumentarfilmpreis, dotiert mit 6.000 Euro, geht an:

HAVARIE von Philip Scheffner
DE 2016 | Farbe | 93 Min.

HAVARIE Philip Scheffner

Begründung:
93 Minuten, eine Einstellung, die unentwegt ein Boot mit Flüchtlingen im Mittelmeer fixiert. „Fixiert“ scheint das richtige Wort auch für die ästhetische Erfahrung, die HAVARIE seinen Betrachtern zumutet: Im Zerdehnen der Zeit, im Insistieren eines Blicks, in der Monotonie der Formen und Farben im Bild entschleunigt der Film den Bilderwahnsinn rund um die sogenannte „Flüchtlingskrise“. Die mit diesem Blick verwandten Diskurse, Geschichten, Ereignisse und Trivialitäten durchkreuzen das Bild auf der Tonebene, verleihen dem Bild Tiefe und sprengen es zugleich über die Grenzen des Kaders hinaus auf. Wenn am Ende der einzige Fixpunkt im Bild – das Boot der Flüchtlinge – scheinbar spurlos verschwunden ist, bekommt man eine Idee davon, was es bedeutet, wenn etwas verlustig gegangen ist – auf dem Meer wie im Bild.

 

Der 3sat-Dokumentarfilmpreis für den besten deutschsprachigen Dokumentarfilm, dotiert mit 6.000 Euro, geht an:

BRÜDER DER NACHT von Patric Chiha
AT 2016 | Farbe | 88 Min.

BRÜDER DER NACHT Patric Chiha

Begründung:
Wenn es dunkel wird in Wien: BRÜDER DER NACHT hat die Jury überzeugt, weil er es vollbringt, Schattengestalten ins Licht zu setzen, ohne sie völlig auszustellen. Es ist ein zutiefst künstliches, farbiges Licht, das den Protagonisten Raum gibt, sie selbst und zugleich viel mehr zu sein: Gestalten des Kinos, die sich einreihen in das Figurenuniversum aus den Filmen Rainer Werner Fassbinders oder Jean Genets. Die filmischen Mittel sind hier jene des Spielfilms, die reale Menschen, Orte, Ereignisse der Realität nicht nur sichtbar machen, sondern tatsächlich einen frischen, befreiten Blick ermöglichen. BRÜDER DER NACHT ist das Dokument einer Welt, die wir über das Fiktionale neu zu denken imstande sind. Er ist aber auch – da war sich die Jury einig – eine Liebeserklärung an seine Hauptfiguren, ein Film, der seinen Figuren erlegen ist und gerade daraus seine Kraft zieht.

 

'Carte Blanche' - Nachwuchspreis des Landes NRW dotiert mit € 5.000 , geht an:

PARADIES! PARADIES! von Kurdwin Ayub
AT 2016 | Farbe | 78 Min.

PARADIES! PARADIES!
 Kurdwin Ayub, Foto Yasmina Haddad
 Foto: Yasmina Haddad

Begründung:
Ein Besuch im kurdischen Autonomiegebiet des Irak. Regisseurin Kurdwin Ayub begleitet Omar, ihren Vater, an den Ort, von dem die Familie vor längerer Zeit geflüchtet ist. Und bereits an diesem Punkt teilt sich der Blick. Für Omar scheint es eine Rückkehr, die er vor der Kamera mit zeitweiligem Übermut zelebriert, während die Regisseurin deutlich auf Distanz bleibt. Sie setzt den Vater so ins Bild, als wäre diese Reise ohne die Kamera und ohne die Tochter gar nicht zustande gekommen. Während der Vater Pläne hat, eine Wohnung kaufen möchte, sich in eine verträumte patriotische Stimmung bringt und ganz damit beschäftigt ist, sich dieses Kurdistan ideell wieder anzueignen, hält Kurdwin Ayub unbeirrt dagegen: mit ironischen Brechungen, bewusst naiven Setzungen und einer fröhlichen Körperlichkeit, die sie als ganz konkrete Widersprüche zur irakischen Realität in Stellung bringt. Kurdistan, das ist einmal ein Sehnsuchtsort, und einmal eine Bühne, auf der Ayub diesen Ort verhandelt. Die geradezu anarchische Lust, die PARADIES! PARADIES! zu eigen ist, dem Publikum einen zweiten Blick abzuverlangen, weil dem Geschehen auf dieser Bühne nicht zu trauen ist, ist mitverantwortlich für den Reichtum und die Komplexität dieses Films. Das Schöne an PARADIES! PARADIES! ist, wie spielerisch und klug hier Themen wie Genderfragen, Familienangelegenheiten, Fremdheit aufeinander treffen. Exil als filmischer Topos ist so vielleicht noch nicht behandelt worden.

12. November 2016, für die Jurys: Antje Ehmann, Gunnar Landsgesell

Der Preis soll Ansporn sein, den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen. Das Potenzial, das der Siegerfilm zeigt, soll weiter ausgeschöpft werden. Der Preisträger wird dabei durch ein Mentorat unterstützt und soll beim nächsten Projekt von einem erfahrenen Filmemacher begleitet werden. Dafür konnte in diesem Jahr Pepe Danquart, Filmemacher und Professor an der Hochschule für bildende Künste Hamburg, gewonnen werden.
2017 wird auf der Duisburger Filmwoche die neu entstandene Arbeit – als Film oder als moderierte Präsentation des Status quo – gezeigt werden.

 

Der Förderpreis der Stadt Duisburg, dotiert mit 5.000 Euro, geht an:

MIRR von Mehdi Sahebi
CH 2016 | Farbe | 91 Min.

MIRR Mehdi Sahebi

Begründung:
Im Nordosten Kambodschas betreibt der Staat eine systematische Landenteignung. Den Kleinbauern, die zur ethnischen Minderheit der Bunong gehören, wird gewaltsam ein Feld nach dem anderen – und damit deren Lebensgrundlage – genommen. Aus traditionell bewirtschafteten Feldern werden riesige Kautschukplantagen. Der Film MIRR von Mehdi Sahebi zeichnet diese ungeheuerliche Tragödie nicht nach, sondern reflektiert deren Inszenierung mit seinen Protagonisten, um gemeinsam mit ihnen diese Geschichte zu erzählen. Die Dorfgemeinschaft ist durch den Hauptprotagonisten Binchey gut beraten. „Wir sind doch keine Schauspieler. Wie können wir das denn darstellen?“ „Ganz einfach: wenn ihr vor die Kamera tretet: aufrecht gehen und nicht stottern!“ Was MIRR zu einem so überzeugenden Film macht, ist, dass er die Sprechweisen der Bunong – in Form von Liedern, Mythen, Traditionen – in seine eigene Form einfließen, und damit deren Wirklichkeit die Wirklichkeit dokumentarischer Bilder mitgestalten lässt.

 

Der Publikumspreis der Rheinischen Post für den beliebtesten Film, dotiert mit 1.000 Euro, geht an:

HAPPY von Carolin Genreith
DE 2016 | Farbe | 85 Min.

HAPPY
 Carolin Genreith, Foto: Ingo Stahl
 Foto: Ingo Stahl

12. November 2016, die Jury: Margret Daniels, Annegret Deupmann, Lars Henriksson, Rosa Menges, Marianne Neumann, Petra Müller