45. Duisburger Filmwoche - doxs! dokumentarfilme für kinder und jugendliche #20 - 10. bis 14.11.2021

Filmreihe/Im Kino

In Rücksprache – Dokumentarische Arbeiten aus Geschichte und Gegenwart
20. bis 22. Januar 2022 / Kino Arsenal

Eine Kooperation der Duisburger Filmwoche und des Kino Arsenal

Programm

Wohnhaft Erdgeschoß
(R: Jan Soldat, DE/AT 2020, 48', Berliner Premiere)
Donnerstag, 20.1.2022, 19 Uhr
Einführung: Alexander Scholz, Im Anschluss Gespräch mit Jan Soldat
Durch seine zugestellte Wohnung bewegt sich die drastische körperliche Präsenz des Protagonisten. Heiko empfindet derweil sein Leben als zugestellt. Seine Mutter will er lieber nicht mehr treffen, die Vergangenheit war schlecht zu ihm. „Wäre die verdammte Wende nicht gekommen, hätt' ich noch Arbeit” sagt er trotzig – und pinkelt nackt auf den Boden. Machen im Netz viele, gibt es Videos von. Deshalb macht auch Heiko Bilder von sich selbst. Jan Soldats Bilder von Heiko verweben sorgsam dessen Körpergeschichte mit inneren und äußeren Zeitgeschichten, mit unterdrückter Aggression und gelegentlicher Erleichterung.

Das bleibt, das kommt nie wieder
(R: Herbert Schwarze, DE 1989, 81')
Donnerstag, 20.1.2022, 21 Uhr
Sexualität, Familiengeschichte, politisches Zeitgeschehen – DAS BLEIBT, DAS KOMMT NIE WIEDER von Herbert Schwarze webt diese Sujets in einem „Dokumentarfilm, der keiner mehr ist” zusammen, wie er 1992 im Katalog der Filmwoche bemerkt. In dieser Arbeit wird individuelles Trauma und kollektives Gedächtnis, geschält aus 60 Jahren Filmgeschichte, in der Biografie der Mutter weniger enggeführt als assoziiert. Im Zentrum steht dabei, wie bei Jan Soldat, der Körper als Objekt sozialer Projektionen: Gedächtnisbilder zwischen Nazikitsch und Nachkriegsschuld legen sich auf den Körper einer Frau, die keine sein will. Der Rahmen ihrer biografischen Erzählung ist so von Bildern beengt wie Heikos Wohnzimmer mit Apparaten zur Bildproduktion.

Picnic at Hanging Rock
(R: Naama Heiman, DE 2021, 45')
Freitag, 21.1.2022, 19 Uhr
Einführung: Jan Künemund
In diesem Film geht Naama Heiman auf die Suche nach einem Sujet für ihren Film und findet überall ihren Mitbewohner Biniam. Eine Obsession. Er entzieht sich dem Bild, verschanzt sich in der gemeinsamen Wohnung hinter verschlossenen Türen. Die Nachbarn im bräsigen Köln-Bickendorf nutzen den Lockdown, um die Markisen ihrer Wintergärten zu saugen. Heiman sortiert derweil analoge Bilder vergangener Zweisamkeit und lauert im Flur auf eine Begegnung. Ein Tagebuch der Hermetik und der Asymmetrie: Die Tauben auf dem Balkon paaren sich pragmatisch, die Filmemacherin liebt auf Entzug.

Dezember, 1-31
(R: Jan Peters, DE 1998, 93 Min.)
Freitag, 21.1.22, 21 Uhr
Um eine nervöse Kontaktaufnahme in Tagebuchform bemüht sich Jan Peters in DEZEMBER, 1–31. 31 Filmrollen lang entsteht eine erratische Trauerarbeit, die dem verstorbenen Freund Grobi gewidmet ist und ganz materialistisch gegen das Vergessen vorgeht. Wie in Heimans Film mischt sich bitterkomische Selbstironie in den verzweifelten Umgang mit Abwesenheit. Tagebücher werden jeweils als Medien des Eigenbedarfs erfahrbar: Das ihnen Anvertraute ist für Dritte nicht immer gleich lesbar. Doch wo Heiman von sich absieht, um Sehnsucht zu formulieren, nimmt sich Jan Peters Raum zur assoziativen Selbstreflexion: Während er auf der Suche nach Zeichen und Botschaften seine alltägliche Umwelt beschwört, vermag Heiman den Eindruck ihres Mitbewohners nicht einmal dann abzuschütteln, als sie nach Tel Aviv zu ihren Eltern flüchtet.

Jetzt oder morgen
(R: Lisa Weber, AT 2020, 89 Min.)
Samstag, 22.1.22, 19 Uhr
Einführung: Pary El-Qaliqili
Die letzte Paarung beginnt mit JETZT ODER MORGEN von Lisa Weber. Ihre Protagonistin Claudia singt bei bescheidenen Familienfeiern „When You Believe” von Whitney Houston und Mariah Carey, während der niederträchtige Optimismus des Schmalzhits sie längst nicht mehr zu überzeugen vermag. Die junge Mutter ohne Schulabschluss und Job erwartet von ihrer Zukunft nur noch das Schwererwerden der Last ihrer prekären Verhältnisse. Sie streichelt ihren Sohn, an dem ihr neuer Freund ungeduldig verzweifelt, döst mit der wachenden Hand auf dem Kinderschopf, ohne danach einen Grund zu finden aufzustehen.

Ich denke oft an Hawaii
(R: Elfi Mikesch, BRD 1978, 85 Min.)
Samstag, 22.1.22, 21 Uhr
In ICH DENKE OFT AN HAWAII von Elfi Mikesch trotzen tropische Harmonien dem Habitus. Ideen und Klänge ferner Idyllen sind alles, was der Vater, ein puerto-ricanischer US-Soldat, seiner Tochter hinterlassen hat. Die 15-jährige Carmen sitzt in ihrem engen Zimmer und klagt, die Arbeit ihrer Mutter als Putzkraft sei ihr zu eintönig. Mikesch komponiert neonbunte Eimer und Handschuhe, die aus dem Wischmopp das Wasser wie aus dem Klassenbild den Paternalismus wringen. Dabei poliert sie das Dokumentarische, bis ein Stück trübe BRD-Gegenwart aus ihm aufblitzt: Während Claudia in JETZT ODER MORGEN dokumentarische Vertragspartnerin und Empfängerin aufrichtiger Empathie ist, glänzt Carmens Haar und Gesicht wie das frisch gewaschene Porzellan, das sie in einer winzigen Küche einem ästhetisierten Schaumbad enthebt. Solidarität mit ihren jungen Protagonistinnen eint die beiden Filme genauso wie das Bewusstsein sozialer und geschlechterpolitischer Härten.


Im Herbst 2021 machte die Duisburger Filmwoche filmhistorische Erkundungen im Kino erlebbar:

Erinnerung an Rheinhausen

(R: Klaus Helle und Rainer Komers, DE 1989, 69 Min.)

30.10.21, 15.30 Uhr / filmforum Duisburg

Duisburg RheinhausenAls der Film 1989 bei der Duisburger Filmwoche zur Projektion kam, brannten bei Krupp noch die Feuer. Der Film zeigt Gefährlichkeit und Schwere der Arbeit, eindringliche Gespräche im Streikbüro und gemischte Gefühle nach dem Arbeitskampf: Niederlage oder Neuanfang? Die Regisseure Klaus Helle und Rainer Komers rekapitulieren im Filmgespräch mit Petra Schmitz ihre Erinnerungen an Rheinhausen.

Eine Veranstaltung der Duisburger Filmwoche in Kooperation mit der Kinemathek des Ruhrgebiets.

 

Geistfresser oder die Philosophie der Helga Grün

(R: Bernhard Krieg und Gernot Steinweg, DE 1982, 42 Min., WDR)

19.10.21, 19 Uhr / Filmhauskino Köln

Geistfresser oder die Philosophie der Helga GrünVor 40 Jahren ziehen die ersten Computer in die Büros und Frau Grün macht sich Gedanken über die Folgen. Ihre Haltung ist interessiert und skeptisch zugleich, sie wägt ab und besteht auf menschliche Kommunikation. Dieses Fundstück holt die Duisburger Filmwoche nicht nur wegen seiner filmischen Qualität aus dem Archiv des WDR, sondern auch aufgrund seiner inhaltlichen Aktualität. Im anschließenden Filmgespräch treffen der Filmemacher Gernot Steinweg sowie die Protagonistin Helga Grün auf Ariana Dongus, Koordinatorin der Forschungsgruppe für Künstliche Intelligenz und Medienphilosophie an der HFG Karlsruhe. 

Es moderieren Anja Dreschke, Mitglied der Auswahlkommission der Duisburger Filmwoche, und Monika Pirch von LaDOC.

Eine Veranstaltung der Duisburger Filmwoche in Kooperation mit LaDOC, mit freundlicher Unterstützung des WDR. Gefördert von der Stadt Köln und durch das Land Nordrhein-Westfalen, in Kooperation mit der Dokumentarfilminitiative dfi und dem Filmbüro NW.

 

Von wegen „Schicksal“

(R: Helga Reidemeister, DE 1979, 121 Min‘)

16.09.21, 18.00 Uhr / filmforum Duisburg

Von wegen Schicksal von Helga ReidemeisterIrene Rakowitz wohnt mit ihren vier Kindern in den Hochhäusern des Märkischen Viertels in Berlin. Nach 20 Jahren Ehe lässt sie sich scheiden. Sie bricht aus der Rolle als Hausfrau und Mutter aus. Sie will zugleich für ihre Kinder bessere Lebensverhältnisse erkämpfen. Von Stütze leben zu müssen, sieht sie alles andere als ein Schicksal an. Inspiriert wurde sie bei ihrem Ausbruch von Studierenden, die in ihrer Nachbarschaft leben. 

Die Filmemacherin Helga Reidemeister porträtierte 1979 Irene Rakowitz. Statt nur zu beobachten, zeigte sie der Familie das bisher gedrehte Material und filmte ebenfalls die Reaktionen. Die Doku löste eine Debatte um die Maßstäbe zur Beurteilung von Dokumentarfilmen aus.

Die Duisburger Filmwoche präsentiert VON WEGEN „SCHICKSAL“ in Kooperation mit 'filmfriend' im Rahmen der bundesweiten Dokumentarfilmtage LETsDOK.