Kühe grasen vor Häuserskeletten, Neubausiedlungen fressen sich kilometerweit in die Felder. Boomtown Addis Abeba. Im Osten der Stadt, wo ein Ausläufer des afrikanischen Grabenbruchs die Erde zerteilt, ist die Tektonik der Gesellschaft aufs Äußerste gespannt. Bauern gegen Investoren, Omoro gegen Amharen, Gegenwart gegen Zukunft. Ein Bus voller Arbeiter fährt rumpelnd an einem neuen Villenviertel vorbei. Die Bodenwellen der Urbanisierung erschüttern die einen und wiegen die anderen.
19.00 Uhr
Jetzt oder morgen
von Lisa Weber
AT 2020 | 90 Min.
Eigentlich zu jung, um nichts mehr zu erwarten. Die 19-jährige Claudia wohnt wie ihr Bruder bei der arbeitslosen Mutter. In durch Sofalandschaften abgefederter Vergeblichkeit verrinnt ihre Zeit, statt endlich zu kommen. „You will when you believe“ schmalzt aus den Boxen, während Claudia zärtlich ihren vierjährigen Sohn streichelt. Aber sie kann und will nicht: Nur selten verlässt sie die Wiener Gemeindebauwohnung. Claudias Träume bleiben utopisch, ihr Habitus verzagt.
22.00 Uhr
Wohnhaft Erdgeschoss
von Jan Soldat
DE/AT 2020 | 48 Min.
Heiko sitzt nackt am Schreibtisch. Vor ihm Tabak und Tastatur, hinter ihm Raumsprays. Heiko pisst. „Das mögen viele, ich auch.“ Die Orte seiner Vergangenheit sind Ruinen. Da bleibt er lieber in seiner Berliner Wohnung. „Wäre die verdammte Wende nicht gekommen, hätt’ ich noch Arbeit“, sagt er trotzig. Schließlich fährt er doch los: zur Mutter. Das Verhältnis ist längst verwittert, die Reise kein Aufbruch. Im Garten seiner Großeltern übermannt es ihn: „Alles haben die zerstört.“